Kill Switch...das Ende vom Internet

Von news.de-Redakteurin Sophia Sieber
Artikel vom 10.02.2011

Riesig, allumfassend, fester Bestandteil unseres Lebens – das Internet ist selbstverständlich. Unvorstellbar, dass es irgendwann nicht mehr da sein könnte. Doch das Netz einfach auszuschalten, ist möglich.


«Es ist nicht so schwer, das Internet herunterzufahren, wenn Sie die militärische Macht haben und den Menschen sagen können, dass das zu passieren hat.» Diesen Satz sagte Microsoft-Gründer Bill Gates der Journalistin Katie Couric vom US-Fernsehsender CBS. Dass sich das Internet einfach abschalten lässt, hat Ägyptens Präsident Husni Mubarak bewiesen, als er Ende Januar das gesamte Land offline gehen ließ – und zwar binnen weniger Minuten. Offenbar hatten Mubaraks drohende Worte den Internetprovidern genügt, um die eigenen Dienste freiwillig einzustellen. Dieser Vorgang wird als «Kill Switch» bezeichnet – der Notausschalter für das Internet sozusagen.

Andreas Bogk vom Chaos Computer Club sagte dem Fernsehsender 3sat: «Wir sehen in Deutschland Bestrebungen mit Sorge, auch hierzulande einen Internet-Kill-Switch einzuführen.» Bogk verwies dabei auf die Novelle des Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes in Rheinland-Pfalz. Eine richterliche Anordnung vorausgesetzt, könnten demnach Mobilfunkverbindungen unterbrochen werden. Etwa um zu verhindern, dass Bomben durch Handys ferngezündet werden.

Die fragile Struktur des Internets

Eine Totalabschaltung wie in Ägypten dürfte in einem demokratischen Land wie Deutschland politisch kaum durchsetzbar sein. Auch der wirtschaftliche Schaden wäre enorm, bedenkt man, wie schnell Geschäfte beispielsweise an der Börse abgewickelt werden. Eines steht aber fest: Neben diesen Hürden hätten es Merkel und Co. theoretisch nicht schwer, Deutschland offline gehen zu lassen.

Das Internet – es ist nicht göttlich, nicht übermächtig, nicht unantastbar: «Das Internet ist völlig fragil, es ist sehr anfällig», erklärt Professor Hartmut Pohl von der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, Sprecher der Gesellschaft für Informatik. Das beweist ein Blick auf die Infrastruktur. Beispiel Deutschland: Hierzulande gibt es laut Pohl nur einen einzigen, sehr wichtigen Knoten für die Internetkommunikation ins Ausland und zurück. Dieser sei mindestens doppelt ausgelegt, habe also mindestens einen Spiegelknoten.

«Wenn Sie diesen Internetknoten abschalten, hat Deutschland zu 85 Prozent keinen Internetverkehr mehr», so Pohl. Der Verkehr konzentriert sich dann auf Notfallknoten, die zusammen nur etwa 15 Prozent des deutschen Internetverkehrs aufrechterhalten können. Deutschland ist in einem solchen Fall zwar nicht offline, aber es würde zu sehr langen Warte- und Antwortzeiten oder Ladeabbrüchen kommen. Vorstellbar ist für den Experten, dass sich diese Knoten nur mit einem einzigen Programm außer Gefecht setzen lassen.

Abschalten, Mr. President

Kein optimistischeres Bild zeigt die Verteilung der wichtigsten Server weltweit – der sogenannten Root-Name-Server. Die sieben Top-Server, die das Internet steuern, stehen in den USA, erklärt Pohl. Sie werden von der Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) koordiniert. Problematisch: Die ICANN unterliegt rechtlich der US-amerikanischen Gesetzgebung. Für Pohl ist deshalb denkbar, dass der Internetverkehr außerhalb der USA in konkreten Krisensituationen oder im Kriegsfall abgeschaltet wird: «Dann findet man keine Adressen mehr, dann erreicht man Google nicht mehr, dann bricht das System innerhalb von Minuten zusammen.» Die Macht, darüber zu entscheiden, liegt derzeit in den Händen des amerikanischen Präsidenten.

Warum dieses fragile System nicht überdacht wird, sieht der Informatiker historisch bedingt: «Das Internet ist schon sehr gut durchdacht worden, allerdings ist es auch schon sehr alt – und damals hat man gar keinen Wert auf Sicherheit gelegt.»

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