von GeVestor
Spanien taumelt am Abgrund
Liebe Leser,
gerade ich bin ich zurück aus Spanien - es war für unsere Investments ein sehr interessanter Recherche-Trip. Sie lesen meinen Newsletter, um Hintergrund-Informationen zu bekommen - hier sind sie.
In den kommenden Tagen greifen wir wieder am Markt an - die Einblicke vor Ort lassen sich bestens für unser Trading einsetzen, denn die spanische Schuldenkrise wird uns noch eine Weile beschäftigen. Mein Eindruck: Dem Land geht es noch viel schlechter, als wir alle mitbekommen. Für mich ist überhaupt nicht absehbar, wie sich Spanien aus der Krise herausarbeiten will. Und dies wiederum wird den Euro in seiner Existenz bedrohen.
Die spanische Immobilienblase platzt
Bei meiner Reise in Spanien habe ich mich für Sie genau umgehört, was die aktuelle Krise für Land und Leute bedeutet und wieso sie so gefährlich ist. Ich spreche zwar kein Spanisch - das ist für uns Bajuwaren ziemlich schwer. Doch meine Gesprächspartner konnten genug Deutsch oder Englisch, um mir alles zu erklären. Durch den persönlichen Kontakt vor Ort wurden die ganzen theoretischen Begriffe, mit denen wir täglich in den Medien bombardiert werden, recht gut mit Leben gefüllt.
Außerdem waren selbst für mich die ganzen Schilder vor leeren Häusern und Wohnungen unübersehbar: "Se vende" - zum Verkauf.
Kein Eigenkapital - trotzdem Baugeld
Immer wieder hörte ich von Stories wie diesen: Eine kleine Angestellte, die als Krankenschwester in einem städtischen Hospital arbeitete, kaufte sich vor drei Jahren - also ziemlich genau zum Höhepunkt der Immobilienblase - eine Wohnung in einem Madrider Vorort namens San Cristobal de Los Angeles. Eigenkapital hatte die 45jährige zwar nicht, doch waren Baufinanzierungen zu 110 Prozent mit einem Kredit über 40 Jahre damals an der Tagesordnung.
Die 110 Prozent ergeben sich aus Kaufpreis und den anfallenden Nebenkosten. So wie die Krankenschwester haben in Spanien viele gezockt. Und wie immer, wenn der Boom überhitzt, war irgendwann das Spiel aus, weil die Nachfrage wegbrach.
Vor kurzem verlor die Frau ihren Job. Die Altenpflegerin schaffte die Rate von rund 1000 Euro nicht mehr. Den Kredit konnte sie nicht durch die Liquidierung der Wohnung zurückzahlen, denn das Apartment ist heute unverkäuflich.
Denn in der Krise strömen alle auf einmal auf den Markt, um ihre Wohnung zu verkaufen. Und Angebot gibt es reichlich: Im Großraum Madrid hatten Wohnungsspekulanten in der Hoffnung auf steigende Preise tausende Wohnungen leer stehen lassen. Das spanische Mietrecht ist noch härter als das deutsche - also sind vermietete Wohnungen erst recht unverkäuflich. So standen zwischenzeitlich fast 16% Prozent aller Wohnungen in Madrid leer - das waren alleine im Zentrum etwa 38.000 Wohnungen! Viele von ihnen müssen nun ganz schnell verflüssigt werden.
Rund eine Million Wohnungen stehen leer
In den anderen Gegenden von Spanien sieht es nicht besser aus: In der Metropol-Region Valencia sollen nach Angaben der Regierung 120.000 Wohnungen zum Verkauf stehen, in Andalusien 114.000 und in Katalonien 107.000. Genaue Zahlen sind nicht zu bekommen, doch sollen in Spanien zwischen 600.000 und eine Million leere Apartments auf einen Käufer warten.
Das Problem daran: Die meisten Wohnungen finden sich in großen Neubau-Siedlungen. Es bringt gar nichts, in diesen Häusern einzelne Einheiten loszuschlagen - sie müssen en bloc verkauft werden. Denn wer will schon alleine in einem gruseligen, völlig einsamen Wohnblock leben?
Doch zurück zu unserem Beispiel. Vor kurzem hat die finanzierende Sparkasse die Immobilie einkassiert. Die Wohnung wird wohl für die Hälfte verschleudert werden - und damit wird der Markt für Bauträger und Baufirmen komplett verstopft.
Die Arbeitslosigkeit in Spanien grassiert
Die Immobilienkrise verursacht auch herbe Einbußen im spanischen Jobmarkt. Jahrelang war der Bausektor der absolute Motor für den Erhalt von Stellen. Und genau deswegen haben vor allem die spanischen Sparkassen immer wieder günstige Kredite fast ungeprüft vergeben. In diesen Cajas haben nämlich die Regionalpolitiker das Sagen und denen ging es nur um Jobs, Jobs, Jobs. Denn das brachte eben Wählerstimmen.
Damit ist es jetzt vorbei - heute stehen überall die Baukräne still. Die Regierung in Madrid versucht zwar noch, Optimismus zu verbreiten - schon nächstes Jahr sollen wieder neue Stellen geschaffen werden.
Die Rating-Agentur Standard & Poor's ist da pessimistischer - eine Belebung im Arbeitsmarkt könnte frühestens 2017 der Fall sein, urteilt sie. Die Agentur hat Spanien binnen eines Jahres von der Bestnote AAA auf AA herabgestuft. Das Problem in Spanien: Das Land hat in den vergangenen Jahren eine doppelte Monokultur aufgebaut, die lediglich auf zwei Industriezweigen basierte: Dem Immobilienmarkt und dem Tourismus.
Der Bildungsstandard ist weit niedriger als in Zentraleuropa. Immer wieder traf ich selbst im Hotel oder beim Einkaufen Leute, die kein Englisch konnten. Nur Spanisch - das reichte früher, denn mit dem Immobilien-Zocken ließ sich ja gutes Geld verdienen. Und heute rächt sich das: Eine international wettbewerbsfähige Hightech-Industrie lässt sich mit diesem niedrigen Service-Niveau nicht aufbauen.
Wird die EU Spanien helfen, oder nicht?
Somit dreht sich der spanische Abwärtsstrudel immer schneller. Die Europäische Union, der Internationale Währungsfonds (IWF) und die USA arbeiten laut einem weiteren Zeitungsbericht an einem Hilfsplan für das hoch verschuldete Spanien. Demnach sollen Kredite in Höhe von bis zu 250 Milliarden Euro bereitstehen, berichtete die spanische Zeitung "El Economista" unter Berufung auf eine nicht näher definierte, mit dem Vorgang vertraute Personen.
Dem Zeitungsbericht zufolge wurde das Thema bei einer Sondersitzung des IWF-Rates diskutiert. Ziel sei es, einen Rettungsplan wie für Griechenland zu vermeiden. Vor der spanischen Zeitung hatten schon die "Financial Times Deutschland" (FTD), die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (FAZ) und die "Süddeutsche Zeitung" von einem Notfall für Spanien berichtet.
Natürlich dementierten alle Seiten umgehend: "Nein, keinesfalls" sei dies der Fall, betonte die spanische Wirtschafts- und Finanzministerin Elena Salgado auf die Frage, ob die Meldung stimme. Auch die Europäische Kommission wies dies zurück: Der Bericht der spanischen Wirtschaftszeitung "El Economista" sei "sehr bizarr", sagte Kommissionssprecher Amadeu Altafaj. "Ich kann diesen Bericht eindeutig dementieren."
Ein spanischer Regierungssprecher bekräftigte, das Treffen des spanischen Premierministers Rodríguez Zapatero und des IWF-Chefs Dominique Strauss-Kahn habe nichts mit einem möglichen Rettungsplan zu tun, wie ihn Griechenland erhalten hatte. Spanien sei "ein solventes, solides, starkes Land mit internationalem Kredit", sagte Regierungschef José Luis Rodríguez Zapatero bei einer Fragestunde am Mittwoch wieder im Parlament in Madrid.
Wer gibt Spanien noch Kredit?
Tatsächlich machten zwischenzeitlich hoffnungsfrohe Meldungen die Runde, wonach sich Spanien am Anleihemarkt problemlos refinanzieren konnte. Doch meine Kontakte melden mir, dass nur europäische Notenbanken und die Europäische Zentralbank (EZB) gekauft haben. Sonst herrscht in Bezug auf Spanien eine eisige Friedhofsruhe.
Nach der neuerlichen Meldung über den Notplan stieg der Risiko-Aufschlag für spanische Staatsanleihen am Rentenmarkt weiter an. Anleihen von der iberischen Halbinsel waren zuletzt rund 2,2 Prozentpunkte teurer als deutsche Bundesanleihen - dies ist ein Rekordwert seit Einführung der Eurozone. Anleger fordern höhere Renditen, wenn sie daran zweifeln, dass ein Staat seine Anleihen zurückzahlen kann.
Der Dollar wird wieder zum sicheren Hafen
Das Problem an der spanischen Misere ist die Tatsache, dass sich das Ausmaß der Krise nicht richtig fassen lässt. Für welchen Preis irgendwelche Immobilien auf den Markt kommen, ob irgendwann vielleicht Scheichs oder russische Oligarchen eine ganze leerstehende Kleinstadt kaufen - wer weiß.
Jedenfalls ist nicht klar, wie viele Kredite verloren sind und welche Banken überleben. Auch kann kaum jemand einschätzen, welche Kreditinstitute oder Länder sich mit südlichen Staatsanleihen eingedeckt haben und im Fall eines spanischen Staatsbankrotts mit umkippen.
Ergo rollt eine Welle des Misstrauens über den Euro hinweg. Gerade hat selbst der russische Präsident Dmitri Medwedew vor einem Kollaps der Einheitswährung gewarnt. Und welche Alternative bleibt für die Anleger? Richtig: Der Dollar, für den die Skeptiker noch vor ein paar Monaten die Totenglocken geläutet hatten.
Ich gehe davon aus, dass wir im Sommer eine Zuspitzung der Krise sehen. Mein Tipp: Genau wie im Fall von Griechenland wird Spanien plötzlich doch nach Hilfsgeldern fragen so wie mir das meine Quellen schon jetzt melden. Und da die spanische Wirtschaft eine ganz andere Kategorie ist als Hellas, werden wir ein mächtiges Theater am Devisenmarkt erleben. Die generelle Richtung für den Euro ist somit abwärts. Ich halte Sie auf dem Laufenden.
Herzlichen Gruß,
Ihr Heiko Seibel
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen